Viel Grün, neue Trassen für den Verkehr mit ganz individuellen Transportsystemen: So stellen sich Forscher einen Straßenzug in Berlin im Jahr 2050 vor. Illustration: LAVA

Fachleute stellen bei der WRO Trends für 2050 vor

Digitalisierung und Co. verändern das Leben in vielen Bereichen. Auch die Städte werden sich wandeln, sind sich die Experten sicher. Ein Info-Tag der Wirtschaftsregion Ortenau (WRO) gab erste Einblicke.

Biberach. Wenn die moderne Technik ins Leben der Menschen eingreift, hat dies auch Auswirkungen auf die Städte. Und zwar schneller, als man heute noch vermuten würde. Was im Jahr 2017 noch futuristisch klingt, könnte in einigen Jahren und Jahrzehnten schon Wirklichkeit geworden sein: Gemüse, das auf Dächern von großen Supermärkten mitten in der Stadt angebaut wird. Riesige durchsichtige Dächer aus feiner Membrane, die ganze Stadtzüge überspannen und das heiße oder kalte Klima ausgleichen.

Ganzheitliches Denken und nachhaltiges Planen sind Mittel der Wahl

Seilbahnen, die Personen durch die Luft befördern. Und: Viel weniger Autos, weil man die in Zukunft nicht mehr einzeln besitzt und damit Straßen und Parkplätze verstopft, sondern man sich dereinst Fahrzeuge teilt, mit kluger Technik und Infrastruktur. Und natürlich sauber und elektrisch.

Derlei Visionen warfen zwei Fachleute für Stadtplanung jetzt bei einem Infotag der Wirtschaftsregion Ortenau (WRO) an die Wand. Die Wirtschaftsförderer für den Landkreis und angrenzende Gebiete hatten dazu Bürgermeister, Stadtplaner und andere Verantwortliche nach Biberach eingeladen. Dort fand beim Büromöbel-Hersteller Hund der Infotag statt, rund 150 Interessierte hörten sich die spannenden Zukunftsvisionen an.

Einen Trend, der allgemein breit Platz greift, hat auch der Gastgeber des Treffens bei seinen Kunden ausgemacht: "Nachhaltigkeit wird immer wichtiger bei den Kaufentscheidungen", berichtete Hendrik Hund, der Geschäftsführer des mittelständischen Unternehmens. Er ist bundesweit auch Präsident des deutschen Büromöbel-Verbands, mit weltweiten Kontakten. Den Kunden liege immer mehr daran, Produkte zu kaufen, die umweltfreundlich hergestellt wurden und ebenso nutzbar und wieder zu entsorgen seien. Nachhaltig eben.

Die weiteren Trends für das Leben in der Stadt der Zukunft heißen Urbanisierung und Digitalisierung, ist sich Stadtplaner Gregor Grassl vom Stuttgarter Büro Drees & Sommer sicher. "Wir brauchen ein ganzheitliches Denken für die Probleme, die wir haben. Wir sollten gemeinsam an alle Themen denken. Stattdessen wird immer noch nur an Einzellösungen gearbeitet."

Ein Beispiel seien die Elektroautos. Ein, zwei Ladestationen vor dem Firmengebäude seien aktuell schick und trendy für die Unternehmen. "Das genügt heute vollauf. Doch was machen sie, wenn plötzlich die halbe Belegschaft mit einem Elektrofahrzeug vorfährt und Strom laden will? Da bricht jedes Netz zusammen", meinte er. Deshalb gelte es, heute schon an die Anforderungen der Zukunft zu denken.

Technische Innovationen erfolgen viel rasanter als in früheren Zeiten

Alanus von Radecki, als Leiter der sogenannten Morgenstadt-Initiative erklärte, dass urbane Innovationen früher 50 Jahre und mehr gedauert hätten, bis sie funktioniert hätten, heute aber schon in zwei Jahren startreif wären. Eine Entwicklung von der Pferde-Tram bis zur elektrischen Straßenbahn hätte beispielsweise Jahrzehnte gedauert. "Heute erleben wir Innovationen per Smartphone, mit den Apps, und zwar rasend schnell", sagte er. Die Morgenstadt-Initiative ist ein Netzwerk für Innovationen. Es basiert auf einer Kooperation zwischen Industrie, Forschung und Vorreiter-Städten.

Reinhold Waidele vom Gewerbeverein Wolfach wollte in der Diskussionsrunde wissen, ob denn derlei Innovationen nur in großen Städten möglich seien. Da machte Stadt-Entwickler Alanus von Radecki gerade den kleinen Kommunen wie etwa im Ortenaukreis Mut: "Kleine Orte haben den Vorteil, dass ihre Herausforderungen auch kleiner sind. Und die lassen sich schneller und mutiger angehen, wenn die Akteure vor Ort das wollen." Es gelte, interessierte Firmen zu finden, mit denen man Pilotprojekte im Kleinen angehe. Nicht ausgeschlossen sei, dass diese dann auch recht bald von den Mega-Citys aufgegriffen werden.

INFO

Zukunftsvision

> Sauber-Bäume: Es werden künstliche Bäume entwickelt, die so viel Schadstoffe aus der Luft filtern wie 200 herkömmliche Bäume. Mit spezieller Technik und Luftsteuerung versehen könnten sie die Luft in Städten stärker verbessern als klassische Bäume.

> Frische Luft: Reinigungsgeräte könnten aufgestellt werden, die in den Straßen dreckige Luft ansaugen, reinigen, und am Ende wieder sauber ausstoßen. Auch dies funktioniere schon als Projekt.

> Gratis kehren: Städte sollen kostenlose Straßen-Kehrmaschinen buchen können. Im Straßenstaub befindet sich viel Platin, das aus Katalysatoren der Autos ausgestoßen wird. Firmen könnten den Staub aufkehren und das Platin herausfiltern. So könnte sich eine Gratis-Reinigung rechnen, ist die Idee.

> Teppich essen: Heute werden Teppichböden gekauft und dann nach der Nutzung entsorgt, meist verbrannt. Künftig soll man Teppiche mieten können. Sind sie abgenutzt, werden sie vom Verkäufer abgeholt. Da sie umweltfreundlich produziert wurden, könnte man sie sogar essen. Aber nur theoretisch. »Das schmeckt sicher nicht gut«, meint Fachmann Grassl.

> Nie mehr Abfall: Heute wird schon viel Rohstoff wiederverwertet, doch künftig soll es gar keinen Abfall mehr geben, sagen die Forscher. Alles könne recycelt werden, nichts bleibe ungenutzt.